Wir wissen heute, dass nahezu alle uns bis dato bekannten Krankheitserreger (Bakterien, Pilze, Viren, Einzeller, Parasiten) latent in den Völkern existieren. Diese Krankheitserreger, die man als „ubiquitär“, d.h. überall anwesend bezeichnet, leben also zusammen mit den Bienen, ohne dem Volk als Ganzem wesentlichen Schaden zuzufügen. Diese scheinbar harmonische Koexistenz bezeichnet man als biologisches Gleichgewicht :
- Die Bienen setzen alle ihnen zur Verfügung stehenden Abwehrmöglichkeiten ein, um die verschiedenen Feinde in Schach zu halten.
- Die Erreger ihrerseits lauern auf jede sich bietende Gelegenheit, möglichst viele Einzelbienen oder Larven zu schädigen. Je mehr Einzelbienen Schaden erleiden, umso schwächer wird das Volk, d.h. im Bienenstock herrscht eine permanente Stresssituation.
- Ein starkes, sich aufwärts entwickelndes Volk, kann eine gewisse Prozentzahl kränkelnder Bienen problemlos verkraften. Das Volk ist scheinbar gesund.
- Ein schwaches, wenig vitales Volk, kann prozentual zu seiner Gesamtvolksstärke weit weniger « kranke » Bienen vertragen: das Volk ist krank.
Beispiel :
Ein 50.000 Bienen starkes Volk mit 1.000 Varroamilben: (Noch) kein Problem.
Dieselbe Milbenzahl in einem 5.000 Bienen «schwachen Volk»: Dem Zusammenbruch geweiht.
Verstärkt man dieses Volk mit gesunden Bienen, wird es wahrscheinlich überleben.
Abwehrmöglichkeiten des Bienenvolkes
- Skelett : Chitinpanzer, sehr resistente Barriere
Die gesamte Körperoberfläche ist zusätzlich mit einem antiseptischen Film überzogen. - Antiseptische, antibiotische Wirkstoffe in Honig, Pollen, Futtersaft und Kittharz (Propolis).
Haernolymphe (« Bienenblut ») ist mit antibiotischen Wirkstoffen angereichert.
Propolis (Kittharz). Die Bienen dichten damit ihren Wohnsitz ab und überziehen alle Beutenteile (auch Fremdkörper) mit einem antiseptischen Propolisfilm (Beispiel: Mäusekadaver, Apivarstreifen, usw.). - Putztrieb : eines der wichtigsten Selektionsmerkmale der Zucht. Bienen säubern sich selbst, sich gegenseitig, den Wabenbau, das Bodenbrett, den gesamten Stock. Der Imker nutzt den Putztrieb bei der medikamentösen Behandlung: z.B. Oxalsäureträufelmethode, durch gegenseitiges Putzen wird das Medikament im ganzen Volk verteilt.
- Generationsfolge: Im Frühjahr-Sommer wechselt der gesamte Volkskörper alle 4 - 6 Wochen: Die Bienen sind ausgelebt, ehe die Erreger zur vollen Entwickelung kommen. Sie kommen vom letzten Ausflug nicht mehr zurück. Infektionsdruck im Volk wird geringer.
- Wabenerneuerung : Falls der Imker dies gestattet, werden Waben regelmäßig erneuert.
- Naturvölker : verlassen durch Schwärmen das alte verseuchte Wabenwerk.
Alle genannten Maßnahmen ermöglichen im Normalfall die Aufrechterhaltung des mit "biologischem Gleichgewicht" bezeichneten « Scheinfriedens », der im Endeffekt nichts anderes ist, als die über Jahrhunderte, durch natürliche Auslese (Selektion) erworbene Anpassung an die jeweilige Umwelt. Der Imker kann diese Anpassung durch züchterische Maßnahmen sowohl positiv als auch negativ beeinflussen.
Positive Beispiele:
- Ersetzen der schwarzen, sehr nosemaanfälligen, da in kleinen, spätbrühenden Völkern überwinternden « Landbiene » durch Carnica oder Buckfast
- Züchterische Arbeit von Bruder Adam: die früh- und durchbrütende Buckfastbiene lässt weder Innenmilbe noch Nosema eine Chance.
Negative Beispiele :
- Einschleppen der Varroamilbe: unsere Bienen dulden zahlreiche harmlose Arthopoden (Gliedertiere) im Stock und erkennen so die Gefahr der Varroamilbe nicht, da diese nicht als Feindbild in ihrem Genpotential verankert ist. (Züchterische Aufgabe: Varroaabwehrverhalten durch Einkreuzung varroaresistenter Erbanlagen).
- Unkontrollierte Einfuhr von Bienen aus Übersee : Gefahr der Einschleppung von neuen Parasiten: Kleiner Bienenbeutenkäfer/ Tropilaelapsmilbe, Cashmir-Virus usw.
- Aufrechterhaltung des Biologischen Gleichgewichts (an die Umwelt angepasste Biene) = Gesundheit.
- Störung des Biologischen Gleichgewichts = Krankheit
Wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse
- Todesursache zusammenbrechender Völker ist fast immer dieselbe: Mischinfektionen oder Sekundärinfektionen durch permanent im Volk präsente Viren und Bakterien (Septikaemie = Blutvergiftung).
- Logische Folge : Die Symptomatik kranker, sterbender Bienen ist mehr oder weniger die gleiche : kleine, krabbelnde, aufgetriebene, flugunfähige, oft verkrüppelte oder flügellose Bienen.
Beispiel Varroa : Ab einem bestimmten Befallsgrad sind Brut und Bienen so geschwächt, dass das biologische Gleichgewicht nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, es kommt zu einer fatalen Sekundärinfektion durch Bakterien und besonders Viren, das Volk bricht zusammen unter den bekannten Symptomen
Für die Praxis bedeuten diese Erkenntnisse :
- Bienenkrankheiten sind nicht einzeln, sondern als Gesamtkomplex zu sehen. Nicht die Biene als Individuum, sondern der Volkskörper als Ganzes zählt.
- Ziel der Imkerei: Zucht und Verbreitung einer an die Umweltbedingungen angepasste Biene (gleich welcher Rasse), die in der Lage ist mit ihren unausrottbaren Feinden im Einklang zu überleben. Die Natur hat dieses Problem noch immer im Laufe der Jahrhunderte durch natürliche Selektion gelöst.
- Da wir aber nicht so lange warten können, muss versucht werden, durch gezielte, kontrollierte Anpaarungen/Einkreuzungen das Genpotential im positiven Sinne zu verbessern. Dies muss einerseits unter akribischen Kontrollbedingungen geschehen, um negative Auswirkungen zu minimieren und andererseits auf möglichst großer Basis (landes- und europaweit), um die Erfolgsaussichten zu optimieren.
- Äußerste Vorsicht (gegebenenfalls totales Verbot, beziehungsweise lange Quarantänen an sicheren Orten: Inseln) bei jeglichen Bienenimporten aus Drittländern (Übersee), die mit Krankheitserregern konfrontiert sind, denen unsere Bienenpopulation wehrlos ausgeliefert wären und das angestrebte biologische Gleichgewicht (Umweltanpassung) immer wieder aufs Neue in Gefahr gestellt würde.
- Neuester Stand der Virologie :
Man vermutet, dass es Bienenfamilien mit erheblich stärkerer Resistenz gegen verschiedene Nervenviren gibt, möglicherweise könnte durch Einkreuzung entsprechender Gene nicht nur die Virusresistenz, sondern auch die angestrebte Varroatoleranz verbessert werden.
Um diese und andere Bienenkrankheiten in der Zukunft wirksam bekämpfen zu können, hat die FUAL in Zusammenarbeit mit der Veterinäradministration einen Stab an "Experts sanitaire" (Seuchenwarten) installiert, die unsere Imker bei eventuellen Infektionen sicher und kompetent zu begleiten. Auf der folgenden Karte können Sie den Ihnen am nächsten gelegenen Seuchenwart ermitteln und kontaktieren, wenn Sie ein krankes Bienenvolk entdeckt haben oder vermuten. Darüber hinaus steht Ihnen natürlich der Bienenberater jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.